Freitag, 24. Mai 2013

Der Phasenmensch


Es ist Freitag und noch genau ein Tag bis zum großen Finale in der Königsklasse, der Liga der Champions. Morgen findet er also statt, der Gipfel auf dem die beiden zwei besten Mannschaften des alten Kontinents auf einander treffen werden. Und das Beste ist, wir sind dabei, wenn auch nur als Außenseiter, aber mal ehrlich, drauf geschissen, denn das waren wir 1997 auch und ich mittendrin.

Gekonnt kriege ich damit eigentlich schnell einen Bogen gespannt, denn der ein- oder andere wird sich vielleicht gefragt haben was los ist. Nichts zu London, nichts zu Wembley, nicht zum Henkelpott? Das geht nicht an, denke ich mir. Seit euch sicher, ich habe nun definitiv in den Finalmodus geschaltet, auch wenn es in den letzten Wochen eine Zeit gab in der ich zu einem Phasenmenschen mutiert bin. Jetzt werdet ihr euch sicherlich fragen, meint er nun Phasenmensch oder Phrasenschwein. Vielleicht auch beides, sicher bin ich mir nicht.

Deshalb an dieser Stelle ein kleiner Rückblick um vielleicht einen Phasenmenschen zu verstehen. Nach dem ersten Schock, der Verletzung, den Operationen und dem ganzen Gedöns keimte anfangs immer wieder der Gedanke in mir auf, dass Finale der Finals nicht sausen zu lassen. Irgendwie musste das klappen. Pläne wurden geschmiedet, mit Ärzten und Therapeuten gesprochen, debattiert, diskutiert und verworfen. Die wirrsten Szenarien wurden durchgespielt und die klügsten Köpfe eingespannt. In der Zeit war das alles ein hin- und her der Gefühswelten, bis an den Tag als sich dann die ersten rationalen Gedankengänge den Weg frei geschaufelt hatten und die bittere Entscheidung gefasst werden musste, dass Wembley ohne mich stattfinden wird. Das tat im ersten Moment weh, sehr weh, aber es half alles nichts, der Zug war einfach für mich abgefahren. Durchaus ein Punkt der Leere, ja auch der Enttäuschung.

Doch nach einem ersten radikalen Schütteln sollte recht schnell die Häutung des Phasenmenschen vollzogen sein, denn den Kopf in den Sand stecken und Trübsal blasen ist alleine schon aus Trotz nicht angesagt. Eher das Gegenteil ist der Fall und der Gedanke heißt nun, dass Beste draus machen!

Wenn auch womöglich unfreiwillig lege ich mir also die Karten so zurecht, dass ich ein gutes Blat in der Hand habe. Man könnte es auch schön reden nennen, vielleicht ist es das ja auch, aber ich habe doch irgendwie andere Empfindungen, da die Rationalität auf einmal wieder weg ist und ich mir ausmale was das alles für meine Freunde, meine langjährigen Wegefähren und allen anderen, die es verdient haben dabei zu sein, bedeuten würde, diesen einen Abend in London erleben zu dürfen. Ich gebe es zu, denn natürlich war ich auch mehr als neidisch als ich die ersten euphorisierten Nachrichten erhielt, in denen stand, dass alles geregelt ist. Hotel fix, Karte vorhanden und Anreiseweg geklärt. In diesen Momenten huschte manchmal dann doch ein böser Schatten hinter meinem Rücken her.

Wie gerufen ist sie dann aber wieder da, die fehlende Ratio und es kam der Moment, wo ich mich gefreut habe. Richtig gefreut für eben all diese Menschen, für all diese Erfahrungen die sie machen werden, von den Dingen von denen sie erzählen werden und was sie für sich ganz persönlich mitgenommen haben. Ich gönne es ihnen. Auch wenn man hier wieder sagen könnte, dass ich mir einen in die Tasche lüge, aber dem war nicht so und dem ist auch jetzt nicht so. Kann man jetzt glauben oder es halt sein lassen. Ich kann mit beidem leben.

Eine Bitte möchte ich noch kurz all jenen mit auf den Weg geben, die morgen an dieser historischen Stätte, ein vielleicht historisches Spiel erleben werden. Jungs und Mädels, gebt morgen alles, alles was ihr habt, alles für den Ballspielverein!

Damit wäre einiges zu morgen gesagt, aber es gibt ja auch noch das Heute. Für den Medizinkram habe ich allerdings keinen Kopf. Wie denn auch? Deshalb auch nur ganz kurz. Linke Schluffen macht einen sehr guten Eindruck, bis auf etwas Wasser im Fußballen, was aber recht normal sein soll. Rechts hat die Narbe heute ein klein bisschen gemoppert, aber für den aktuellen Zustand eher halb so wild. Zu guter Letzt sind auch die eingewachsenen Fäden aus der rechten Hüfte nach längerer Fummelei entfernt. Und so bleibt mir zum Schluss nur zu sagen: London calling!