Mittwoch, 1. Mai 2013

Die Desillusion


Das Ende der ersten Woche. Es beginnt nach 6 Stunden Schlaf der Tag bei bestem Frühlingswetter. Der erste Gedanke ist. Ja, wie haben es tatsächlich geschafft, wir haben es geschafft. Finale! Grade 5 Minuten wach und noch in den Siegesträumen taumelnd werde ich von der Waschcrew – ist ja schließlich Feiertag und da darf man(n) auch mal ruhig gut aussehen - freundlich begrüßt und es wird sich sofort mit den Schwestern über das gestern Abend Geschehene ausgetauscht. Die Laune überall prächtig. Nach dem Frühstück in der Sonne werden erst mal die bekannten Portale, das Forum und die Mails gecheckt. Ein Grinsen im Gesicht breitet sich passend zum Wetter draußen aus. Etwas später schaut auch der behandelnde Arzt vorbei. Auch gut gelaunt, wie eigentlich immer. Kurzer skeptischer Check der beiden Füße und die erste kleine Ernüchterung. Die Operation für morgen steht doch nicht fest, der Slot bleibt aber erst mal bestehen und die Entscheidung würde dann kurzfristig morgen getroffen da die Füße noch zu geschwollen waren. Gut, ist jetzt nicht schön, aber auch kein Beinbruch.

Es folgt schnell eine kurze Überlegung wie man den Tag rum kriegen kann. Das TV Programm verspricht nichts wirklich Interessantes, also geht es erst mal weiter Stimmen und Stimmungen einfangen.

Dann der Stimmungswandel. Mir wird aus heiterem Himmel und während mein Spint schon ausgeräumt wird und die anderen Sachen in Lichtgeschwindigkeit hektisch zusammengepfercht werden, unterbreitet dass ich nun die Station wechseln werde. Das genaue Warum kann mir in der Hektik irgendwie niemand sagen. Ich befürchte schon Schlimmes als ich höre, dass es nach „nebenan“ geht. Dort abgestellt und ziemlich allein gelassen hocke ich also nun da. Kein Strom für die Akkus, keine Patientenschelle und keine Ahnung was das jetzt soll. Immerhin ein in Griffweite liegender Spint wurde mir zugewiesen in den ich die auf meinem Bett deponierten Sachen einlagern kann.

Dann erst mal schauen ob Netz da ist. Immerhin, das funktioniert schon einmal, aber ewig halten die Akkus ja auch nicht. Da ich ja keine Patientenschelle habe, heißt es erst mal abwarten. Gibt ja gleich Mittag und da wird schon jemand kommen und mir mal eben mit anpacken. Aus dem Bett komme ich ja bekannter maßen nicht alleine. An der Tür, die ich nicht mehr einsehen kann tut sich was. Läuft denke ich mir. Und siehe da, es steht tatsächlich eine Schwester vor mir. Allerdings hatte ich mir die dann doch etwas anders vorgestellt. Langer grauer Frack bis fast auf den Boden und den Kopf in weißem Tuch verhüllt. Mein Gedanke war nur: Aus welchem Kloster ist die denn „ausgebüchst“? Ich versuche ihr also zu verklickern dass ich Strom brauche. „Strom?“ war ihre, in gebrochenen Deutsch vorgetragene Frage. Himmel dachte ich. Meine Erklärungen, dass sie sich da nicht drum kümmern brauche und ich lieber auf eine jüngere Stationsschwester warten würde scheiterten entweder an ihrem weißen Tüchlein, ihrer Auffassungsgabe oder einfach an der Sprachbarriere. Hier tippe ich schon gegen das Tüchlein. Das Kabel hab ich ihr zur Sicherheit erst mal abgenommen. Zum Glück betrat just eine jüngere Stationsschwester das Zimmer, die die Sache auch fix erledigt und ich war somit mit Strom, Fernseher, Kopfhörer und Patientenschelle ausgestattet. Für einige kurze Momente machte sich etwas Erleichterung breit.

Plötzlich meldet sich aber der kleine Mann in meinem Kopf und ich schaute mich mal um. Krankenhauszimmer, ok, Krankenhauszimmer eben, die sehen halt so aus. Eins stand aber sofort fest. Meine neuen beiden Zimmergenossen, beide  über 70 schätze ich und ziemlich kaputt, sollten nun also zu meinen Weggefährten werden. Spontan habe ich die beiden auf Statler und Waldorf getauft. Nur Lustig waren sie nicht. Zu Statler konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel sagen, da er nur zu pennen schien oder grunzte.

Bei Waldorf hatte ich recht früh allerdings schon meine ersten Bedenken als er Besuch bekam. Er faselte von einem Urknall den er nachts gehört hatte und dann mal eben flockig sein Bett mit „Geländer“ überklettert hatte und sich ganz nebenbei die Infusionsschläuche selbst raus gerissen hatte. Mir wird spontan schon etwas mulmig. „Ein scheinbar absoluter Sechser im Lotto“ schießt mir durch den Kopf. All die schönen Gedanken des Vormittags verschwanden auf einen Schlag im Orkus.