Mittwoch, 22. Mai 2013

Schwester Sonnenschein


Womit eröffne ich den Tag, frage ich mich als ich heute engelsgleich dem Schlaf entschlüpfe. Die Antwort ist schnell gefunden, denn ich möchte mal, da sie es sich redlich verdient hat, ein paar Worte zu Schwester Sonnenschein loswerden. Wenn man mich fragen würde welche Schwester hier auf der Station eigentlich keine Schwester ist, sondern eher eine Mensch gewordene, durch den Wind schwebende Inkarnation der Entspanntheit, Fröhlichkeit und Leichtigkeit, gepaart mit der Gabe zuzuhören und gleichzeitig ihr Handwerk aller bestens verstehend, dann spreche ich von Schwester Sonnenschein. Ein absoluter Gewinn für jeden hier unfreiwillig unter gekommenen Patienten.

Und da in mir durchaus auch ein kleiner versteckter Gentleman, ausgestattet mit einer Prise Charmeurgen steckt, muss ich heute mal alle Register ziehen und begrüße meine Aufwachfee mit den blumigen Worten „Wer kann denn morgens nur so fröhlich sein, dass ist die Schwester Sonnenschein.“ Ich weiß, dass das schnulziger geht, aber ihr hat es durchaus gefallen.


Weiter geht es mit dem üblichen Tagesgedöns, bis Zeit für die Visite ist und Hammelherden gleich Chefarzt, Oberarzt, Assistenzarzt und Schwester zur Inspektion in den Raum schluffen. Aktueller Stand ist, so ergibt die Analyse, dass „die Wunden in die richtige Richtung gehen“. Den versteckten, vielleicht auch unfreiwilligen Kalauer hab ich wohl zu dieser frühen Stunde nicht so ganz geschnallt. Macht aber nichts, denn wie aus dem Nichts wird mir dann nahe gelegt, dass meine Entlassung für kommenden Montag geplant ist. Da bin ich erst mal baff ob dieser unerwarteten Ansage.


Nach einem ersten freudigen Zucken, meldet sich aber ein kleines Männeken in meinem Kopf und flüstert mir folgende Worte in mein plötzlich vorherrschendes Gedankenwirrwarr.
„Du liegst, Stand heute, jetzt 4 Wochen, genauer gesagt, 29 Tage nur in einem Bett, selbst Essen ist nicht im Sitzen erlaubt, von aufstehen kann nicht mal ansatzweise die Rede sein und du sollst dich Montag nachhause aufmachen?“


Ich komme kurz ins Grübeln, denn um das nur kurz anzumerken. Die dringend zum Stehen oder gehen benötigten Spezialschuhe sind noch nicht angepasst, ich habe noch keine einzige Runde im Rollstuhl gedreht und auch selbstredend noch keinen Meter auf Gehhilfen absolviert.
Die Antwort auf die Frage wie das gehen soll, wird also wohl in den nächsten zwei Tagen gegeben werden. Ich bin durchaus gespannt was man sich da im Hintergrund so alles ausgedacht und vermutlich akribisch erarbeitet und vorbereitet hat. Wir werden es sehen.


Nach dem Kaffee schneit hier dann erst mal unerwarteter Besuch rein. Es ist Brunos Nachbar der einen kleinen Abstecher nutzt um hier auf der Station mal nach dem Rechten zu sehen. Sein angepeiltes Ziel ist eigentlich Bruno, der aber noch immer mit Komplikationen auf der Intensiv liegt und da diese erst um 15 Uhr öffnet, bleibt noch Zeit für das Übermitteln von mehr oder weniger halbwegs guten Nachrichten über Brunos Gesundheitszustand. Der hat mittlerweile zwei weitere Eingriffe hinter sich und noch einen vor sich, soll aber sonst halbwegs auf dem Damm sein. Wird auch Zeit dass der wieder auf die Beine kommt, denke ich mir, denn der muss noch alte Geschichten aus der Roten Erde der 50er Jahre raus hauen.


Und damit wären wir auch schon beim geliebten Ballsport. Das ZDF sendet um 22:15 Uhr das auslandsjournal unter anderem mit dem Thema: „Deutschland gewinnt - auch die Herzen der Engländer“ - „Es ist ein schwacher Trost für alle Engländer, dass eine deutsche Mannschaft das Wembleystadion am Samstag als Verlierer verlassen wird.“ Das dürfte heute Abend, nicht nur für alle Londonfahrer also schon mal absolutes Pflichtprogramm sein.


Ansonsten werde ich es danach wohl mit Peter Lustig halten und sagen „Carpe diem, nutze den Tag, also nutzend ihn und schaltet ab. Salve.“